
Guillermo del Toro kündigte seit Jahren an, dass Frankenstein sein Opus Magnum werden würde. Die Premiere im November brachte ein spektakuläres Werk hervor, aber erfüllt es auch die in es gesetzten Hoffnungen? Als Liebhaber von Druck und Literatur haben wir uns diese Produktion genau angesehen.
Ein gotisches Märchen in Farbe
Del Toro präsentiert uns eine Vision, die weit entfernt ist von gotischer Düsternis. Statt Schmutz und Grau serviert der Regisseur ein visuelles Festmahl voller gesättigter Farben und starker Kontraste. Besonders auffällig ist das lebendige Rot des Blutes, das vor den kühleren Kulissen geradezu hypnotisch wirkt, sowie die Figur der Elisabeth – stark stilisiert, fast wie aus einem Gemälde der Präraffaeliten entsprungen.
Es ist lobenswert, dass ein Großteil der Szenografie tatsächlich gebaut wurde, was in Zeiten von allgegenwärtigem CGI eine Seltenheit zu sein scheint. Doch die spezifische, „weiche“ Beleuchtung führt dazu, dass diese imposanten Filmsets manchmal an Authentizität verlieren. Es fehlt der „märchenhafte Realismus“, der in
Jacob Elordi als das Monster – Statuenhafte Melancholie
Die größte Herausforderung jeder Adaption ist die Visualisierung des Geschöpfs. Del Toro, der sich des popkulturellen Erbes von Boris Karloff bewusst war, entschied sich, mit dem Bild des schwerfälligen Ungeheuers zu brechen.
Jacob Elordi in der Rolle des Monsters ist eine faszinierende Kreation. Seine Figur:
- Weckt eher Faszination als Abscheu – die Maske zeigt zwar die Verbindungen und Nähte, aber der Körper des Geschöpfs wirkt fast statuenhaft.
- Er erinnert an die Schöpfung von Rory Kinnear – Fans der Serie Penny Dreadful werden die Ähnlichkeit in der Herangehensweise der Figur erkennen: Er ist ein intelligentes, melancholisches Wesen.
- Kann pure Wut sein – wenn das Monster die Fassung verliert, weicht die Melancholie einer zerstörerischen Kraft.
Genau in dieser Figur sieht man am besten den Versuch, zu den Wurzeln zurückzukehren und das Stereotyp des „dummen Monsters“, das sich im Kino der 1930er Jahre verfestigt hat, auszulöschen.
Action vs. Philosophie. Wo ist der Geist von Mary Shelley geblieben?
Obwohl der Frankenstein von 2025 versucht, dem Buch in Bezug auf den Intellekt des Geschöpfs treu zu bleiben, hat Hollywood seine Rechte eingefordert. Der Film leidet unter unnötigen Einlagen, die an Superheldenfilme erinnern. Szenen, in denen das Monster Menschen mit bloßen Händen zerreißt und wie der Hulk wütet, beißen sich mit dem subtilen Gewebe der Erzählung über Ablehnung.
Dennoch sind moralische Dilemmata hier präsent. Am stärksten klingen sie in der Beziehung des Geschöpfs zum Blinden an. Die Szene, in der der alte Mann die Worte „Du bist mein Freund“ spricht, ist einer der wenigen Momente, in denen der visuelle Prunk reinen Emotionen weicht. Gleichermaßen bewegend ist die Sequenz, in der das Wesen Victor bittet, eine Gefährtin zu erschaffen – hier hören wir am deutlichsten das Echo der Fragen, die Mary Shelley stellte: Wer ist hier eigentlich das Monster?
Ein Detail, das begeistert: Bücher und Tagebücher
Als Experten für Druck konnten wir den Blick nicht von den Requisiten abwenden. Die physischen Tagebücher von Victor Frankenstein (gespielt von Oscar Isaac) wurden mit außergewöhnlicher Ehrfurcht gefertigt. Wir sehen abgenutzte Einbände, vergilbtes Papier und komplexe handschriftliche Notizen. Ebenso beeindruckend präsentieren sich die alten anatomischen Tafeln. Dies ist der Beweis dafür, dass das physische Buch weiterhin ein mächtiges Symbol des Wissens bleibt.
Urteil: Ein Spektakel ohne Herz?
Hat uns Guillermo del Toro den Frankenstein aller Zeiten geliefert? Leider scheint das Endergebnis den Ambitionen nicht ganz gerecht zu werden. Der Film überwältigt visuell, aber in diesem Farbenrausch sind die Beziehungen zwischen den Figuren irgendwo verloren gegangen. Das Dreieck Victor–Elisabeth–Monster bleibt oft schlichtweg kühl.
Für Liebhaber der Klassiker bleibt die Version von 1994 (mit Robert De Niro) weiterhin das unerreichte Vorbild. Für jüngere Generationen hingegen werden Rory Kinnears Interpretation und der Frankenstein-Handlungsstrang aus Penny Dreadful wohl „lebendiger“ wirken. Del Toro hat uns ein schönes Bild gegeben, aber vergessen, dass das Wesentliche bei Frankenstein für die Augen unsichtbar ist.